Notizblock 03 (Café Coupé)

Die Schaffnerin bringt um 7 Uhr das Frühstück, mit der Nachricht, der Zug habe Verspätung, ich könne mir Zeit lassen. Ich lege mich nochmals hin, spiele mit meiner Einbildungskraft, tausche den inzwischen verschwundenen Mann durch eine Frau in seinem Alter aus. Sie kuschelt sich an mich, ohne ein Wort zu reden. Mir bleibt auch die Sprache weg, und das ist gut so. Ich habe stumme Zärtlichkeit am Morgen gern: die restliche Nachtwärme, die restliche Traumschwere, die weichen, vom überschüssigen Wasser befreiten Körper, die lauernden Tagespläne. Die vergangene Nacht steht noch in der Tür, der angebrochene Tag leuchtet schon.

Ich bin einmal in der Nacht aufgestanden, der Gang war leer, draußen alles dunkel. Ich wartete eine Weile, um herauszufinden, wo wir uns befanden. Aber nur ab und zu ein Licht. Dunkles Deutschland, dachte ich und stellte fest, dass ich mehr Licht erwartet hätte.

Die Schaffnerin klopft nach kurzer Zeit und sagt, sie habe sich geirrt, der Zug komme beinahe pünktlich an, also in wenigen Minuten.

Das ist die Ursache dafür, daß ich beinahe als letzter den Zug verlasse, nun fast allein auf einem fast leeren Bahnsteig Nr. 16 stehe. Die Uhr zeigt 7.27 Uhr.

Mich stört meine etwas unscharfe Sicht ohne Brille. Aber ich nehme sie nur zum Lesen. Es ist störend genug, darauf ständig darauf achten zu müssen, sie mitzunehmen oder nicht irgendwo liegen zu lassen. Ich bin ein gewohnheitsmäßiger Brillensucher und verachte Menschen, die sich ihre Brille um den Hals hängen haben. Ich finde es auch komisch, wenn sich Frauen, aber auch Männer damit schmücken, indem sie sich vor allem Sonnenbrillen ins Haar stecken.

In der Halle des Bahnhofs Düsseldorf eine ununterbrochen zu den beiden Ausgängen hin eilende sehr abwechslungsreiche Menschenmenge, entweder zum Konrad-Adenauerplatz und Bertha-von-Suttner-Platz hin. Es ist mir sehr angenehm, diese mir völlig unbekannten Individuen in solch heftiger ununterbrochener Bewegung zu sehen.

Da mir das Zimmer erst ab 10 Uhr zur Verfügung steht, setze ich mich ins Café Coupé und bestelle eine Milch. Die Kellnerin sagt: Milch? Haben wir nicht in unserem Angebot. Sie sieht mein Erstaunen. Vielleicht Kakao? Gut, dann Kakao, ohne Sahne!

Ich denke daran, daß es nun draußen schon hell sein würde. Zugleich suche ich auf dem sehr kleinen Plan eines Teils der Innenstadt auf einem der Stadtprospekte den Weg zum Hotel.
In der Brieftasche finde ich einen Zettel, auf dem steht, in meiner flüchtigsten Handschrift notiert: Caravaggio, Körper auf Papier, Spencer Tunick. Kunsthalle, Kunstverein, Kunstsammlung NRW. Das sollte für den ersten Tag reichen.

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